Im Juli erließ die Regierung eine Verordnung zu direkten Stromabnahmeverträgen (DPPAs). Dr. Oliver Massmann, Partner und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Duane Morris Vietnam LLC, sprach mit Khoi Nguyen vom VIR über die Auswirkungen dieses Gesetzes auf den Energiesektor in Vietnam, insbesondere auf deutsche Investoren.
Wie beurteilen Sie das Dekret Nr. 80/2024/ND-CP über den direkten Stromkauf und -verkauf zwischen Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien und großen Stromverbrauchern?
Dekret 80, das ich als DPPA-Dekret bezeichne, wurde mit Spannung erwartet und wird von allen Beteiligten im Energiesektor sehr begrüßt. Ich habe, wie viele andere auch, jahrelang auf dieses Dekret gewartet, und es ist ein positiver Schritt der Regierung, es nun endlich zu veröffentlichen.
In einigen Abschnitten sind jedoch noch weitere behördliche Vorgaben erforderlich, insbesondere hinsichtlich der detaillierten Verfahren für die Teilnahme an netzgekoppelten DPPAs.
Wie effektiv wird dieses Dekret Ihrer Meinung nach in Vietnam umgesetzt werden?
Ich bin überzeugt, dass dieses Dekret eine entscheidende Rolle für die Entwicklung erneuerbarer Energien in Vietnam spielen wird. Investoren dürften bereits auf der Grundlage dieses Dekrets aktiv werden, was zu verstärkten Investitionen im Land führen dürfte.
Einige Unklarheiten im Dekret müssen jedoch noch geklärt werden. Weitere Klärungen sind hinsichtlich der Teilnahmeverfahren, der Leitlinien, der Vertragsformulare und der im Rahmen des DPPA-Mechanismus teilnahmeberechtigten Parteien erforderlich. Diese Klarstellungen müssen von den Regierungsbehörden erfolgen, um die Durchsetzbarkeit des Dekrets zu gewährleisten.
Darüber hinaus bleibt die Strombetriebslizenz die wichtigste Unterlizenz für Stromhandelsaktivitäten. Da diese Lizenz im alleinigen Ermessen der zuständigen Behörden liegt, könnten ihre Anforderungen die Entscheidungsfindung von Energieinvestoren erheblich beeinflussen.
Welche Vorschläge würden Sie auf Grundlage der deutschen Erfahrungen mit der Erneuerbare-Energien-Politik machen, um die Wirksamkeit dieses neuen Dekrets in Vietnam zu verbessern?
Der deutsche Sektor für erneuerbare Energien zählt dank eines umfassenden Rechtsrahmens, der das Netzausbaubeschleunigungsgesetz, das Erneuerbare-Energien-Gesetz und das Gebäudeenergiegesetz umfasst, zu den innovativsten und erfolgreichsten weltweit.
Diese Gesetze bieten Anreize für erneuerbare Energien, legen fest, dass deren Nutzung bis zur Erreichung der Treibhausgasneutralität im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt, und vereinfachen die Verfahren für Netzplanung und -bau. Ausgehend von den deutschen Erfahrungen würde ich Vietnam empfehlen, klare Leitlinien zum DPPA-Dekret zu entwickeln, um die derzeitigen Unklarheiten zu beseitigen. Dazu gehören detailliertere Verfahren, ein vereinfachtes Verfahren und eine geringere Betonung von Unterlizenzen.
Wie kann Deutschlands Expertise im Bereich erneuerbare Energien zur Energiewende Vietnams beitragen, und welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern sehen Sie in diesem Bereich?
Gemäß dem Energiewirtschaftsgesetz ist das Stromnetz in Deutschland in Übertragungsnetze (Höchstspannung) und Verteilnetze (Hoch-, Mittel- und Niederspannung) unterteilt. Das Hochspannungsnetz befindet sich größtenteils im Eigentum von vier Übertragungsnetzbetreibern. Die Verteilnetze auf der unteren Ebene werden von zahlreichen regionalen und kommunalen Netzbetreibern betrieben. Um die Netzinfrastruktur auszubauen und die Versorgung mit erneuerbaren Energien zu fördern, wurde das Netzausbaubeschleunigungsgesetz erlassen, um die Planungs- und Genehmigungsverfahren für zwischenstaatliche oder internationale Höchstspannungsleitungen zu verkürzen.
Um Sicherheitsrisiken vorzubeugen, können die zuständigen Behörden in Deutschland außerdem Investitionsprüfungen durchführen, um den Erwerb deutscher Unternehmen durch ausländische Käufer im Einzelfall nach dem Außenwirtschaftsgesetz und der Außenwirtschaftsverordnung im Energiesektor zu prüfen.
Im Rahmen des Investitionsprüfungsmechanismus müssen in bestimmten Sektoren (z. B. im Netzbetrieb) die Parteien, die eine Übernahme von mehr als 10 Prozent der Stimmrechte tätigen, diese Transaktion grundsätzlich dem Wirtschaftsministerium zur Prüfung melden. In Vietnam hingegen wird das Netz derzeit ausschließlich von Vietnam Electricity betrieben und verwaltet, während die Finanzierung durch andere Investoren noch nicht formal anerkannt wird. Zudem fehlt ein ähnlicher Prüfmechanismus wie in Deutschland.
Ich bin überzeugt, dass Deutschland Vietnam bei der Entwicklung relevanter Mechanismen zur Förderung des Netzes und zur Verhinderung unerwünschter Investitionen in bestimmten Sektoren unterstützen kann. Diese Unterstützung kann auf verschiedene Weise erfolgen, beispielsweise durch Schulungen, die Entsendung von Experten und einen Vertrag über die Zusammenarbeit. Als deutscher Experte bin ich gerne bereit, Vietnam in dieser Hinsicht zu unterstützen.