Seit der Aufnahme offizieller bilateraler Beziehungen im Jahr 1995 haben sich die USA und Vietnam zu verlässlichen Partnern entwickelt, die eine von gegenseitigem Respekt geprägte Freundschaft verbindet. Die ehemaligen Feinde haben inzwischen ihre zunehmend aktive und umfassende Kooperationsbeziehung zu einer soliden Partnerschaft in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Sicherheit und interpersoneller Austausch ausgebaut.
1993 – Aufhebung des Handelsembargos
Seit dem Sieg des kommunistischen Nordens über Südvietnam im Jahr 1975 hatten die USA ein Handelsembargo gegen Vietnam verhängt, das erhebliche negative Auswirkungen auf den Handel in Vietnam hatte. Im Rahmen des Handelsembargos war es allen US-Bürgern und -Unternehmen untersagt, Waren aus Vietnam aus- oder einzuführen sowie Finanz- und Handelsgeschäfte zu tätigen.
Im Jahr 1993 wurde das Handelsembargo schließlich aufgehoben und damit der Grundstein für die Förderung der Zusammenarbeit und Annäherung zwischen den beiden Staaten gelegt, was auch weitere Fortschritte bei der Aufarbeitug der gemeinsamen Geschichte ermöglichte. Auch wenn die Vereinigten Staaten noch keine uneingeschränkten Beziehungen zu Vietnam aufgenommen haben, so wurden doch rechtliche Beschränkungen abgebaut. Multilaterale Organisationen und die meisten anderen Länder außer den USA haben ihre Beziehungen zu Vietnam wieder uneingeschränkt aufgenommen. US-Vertreter des Privatsektors, einschließlich Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, aber auch vietnamesischstämmige US-Bürger haben sukzessive Beziehungen zu Vietnam aufgebaut. Optimistische Veränderungen in der vietnamesischen Außen- und Innenpolitik haben ebenfalls zu einer breiteren Akzeptanz Vietnams in der internationalen Gemeinschaft beigetragen. Dies schuf letztlich die Grundlage für weitere Reformen und eine positive wirtschaftliche Entwicklung Vietnams.
1995 – Aufnahme diplomatischer Beziehungen durch den ersten US-Botschafter Pete Peterson und seine vietnamesische Ehefrau Vy
Weitere Schritte zur Normalisierung der Beziehungen zwischen den USA und Vietnam wurden mit der im Januar 1995 angekündigten Eröffnung von – in der Folge zu Botschaften aufgewerteten – Verbindungsbüros in den Hauptstädten beider Länder eingeleitet. 1997 wurde Pete Peterson zum ersten US-Botschafter in Vietnam seit 1975 ernannt und damit die Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zwischen Vietnam und den USA offiziell besiegelt.
Beide Länder akzeptierten die gemeinsame Vergangenheit und schlugen ein neues Kapitel in der Geschichte ihrer bilateralen Beziehungen auf, um die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für die Erhaltung des Friedens und den Ausbau ihrer Wirtschaften voranzutreiben.
Die Strategie der Normalisierung jener Beziehungen und der Förderung der Zusammenarbeit mit Vietnam entspringt – aus US-amerikanischer Sicht – zum einen den innenpolitischen Bedürfnissen der USA und ist zum anderen Teil der Anpassung ihrer globalen Strategie nach dem Kalten Krieg im Allgemeinen und in Bezug auf den asiatisch-pazifischen Raum sowie Südostasien im Besonderen.
2001 – Das bilaterale Handelsabkommen als Wegbereiter für den Beitritt Vietnams zur Welthandelsorganisation
Am 13. Juli 2000 unterzeichneten die USA und Vietnam ein bilaterales Handelsabkommen (das sog. U.S.-Vietnam Bilateral Trade Agreement, „BTA”). Das BTA markiert einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur vollständigen Normalisierung der Handelsbeziehungen zwischen den USA und Vietnam, da es die gegenseitige Meistbegünstigung zwischen den beiden Ländern wiederherstellt und Vietnam dazu verpflichtet, eine breite Palette marktorientierter Wirtschaftsreformen durchzuführen. Im Rahmen des Abkommens verlängern die USA den vorübergehenden Meistbegünstigungsstatus Vietnams. Im Gegenzug führt Vietnam eine Reihe von Maßnahmen zur Marktliberalisierung und zur Reform des bestehenden Handels- und Investitionssystems durch, um gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen für US-Unternehmen und -Produkte in Vietnam zu schaffen.
Das BTA gilt zugleich als Sprungbrett für den Beitritt Vietnams zur Welthandelsorganisation („WTO”), da es bereits viele ihrer Grundprinzipien aufgreift, darunter das Meistbegünstigungsprinzip, das Inländerbehandlungs- und das Transparenzprinzip, den Abbau von Handelshemmnissen mittels Verhandlungen, die Förderung eines fairen Wettbewerbs sowie die Förderung von Entwicklung und Wirtschaftsreformen. Mit dem anschließenden Beitritt Vietnams zur WTO im Jahr 2006 gewährten die USA Vietnam einen dauerhaften Meistbegünstigungsstatus. Dies verschaffte Vietnam Zugang zum US- Markt und brachte erhebliche wirtschaftliche Vorteile mit sich, bedingt durch die damit einhergehende Verbesserung der Handelsbedingungen und die effizientere Ressourcenallokation im Land.
Das BTA beinhaltet sieben umfassende Kapitel, die sich mit dem Handel mit Waren und Dienstleistungen, den Rechten an geistigem Eigentum, der Entwicklung von Investitionsbeziehungen, der Erleichterung des Geschäftsverkehrs sowie mit Bestimmungen über Öffentlichkeit und Transparenz befassen und ein eigens dafür vorgesehenes Rechtsbehelfsregime umfassen. Im Zuge der Umsetzung des BTA verzeichneten beide Länder ein bemerkenswertes Wachstum ihrer Ausfuhrumsätze. Im Jahr 2002, kurz nach der Unterzeichnung des BTA, öffnete sich der US-amerikanische Markt für vietnamesische Waren, was einen Ausfuhrumsatz von 16,5 Milliarden US-Dollar generierte und einem Anstieg von fast 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Im Zeitraum von 2001 bis 2008 stiegen die vietnamesischen Exporte in die Vereinigten Staaten kontinuierlich an und erreichten im Jahr 2008 – trotz der Unterbrechung infolge der Finanzkrise 2007 – einen Spitzenwert von fast 12,610 Millionen US-Dollar. Zwischen 2010 und 2018 blieb der Handel zwischen den beiden Ländern beständig und verzeichnete eine durchschnittliche Wachstumsdynamik von 116 %. Das BTA spielte auch eine Schlüsselrolle bei der Förderung von US-Investitionen in Vietnam, wobei sich das registrierte, aus den USA einfließende ausländische Direktinvestitionskapital bei Inkrafttreten des BTA im Jahr 2002 auf 200,1 Millionen US-Dollar belief. Somit hat das BTA die Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Vietnam und den Vereinigten Staaten insgesamt spürbar intensiviert.
September 2023 – Ausbau der Beziehungen zwischen den USA und Vietnam zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft
Unlängst, am 10. September 2023, unterzeichneten die Staats- und Regierungschefs beider Länder während des Besuchs von US-Präsident Joe Biden in Vietnam eine Gemeinsame Erklärung zum Aufbau einer umfassenden strategischen Partnerschaft. Sie deckt ein breites Spektrum an Kooperationsbereichen ab, darunter Wirtschaft, Handel und Investitionen. Während der zehnjährigen Umsetzungsphase der umfassenden Partnerschaft haben Vietnam und die USA wiederholt die Bedeutung der Stärkung des bilateralen Handels sowie der Zusammenarbeit bei wichtigen Themen wie Werbung für Finanzdienstleistungen, Informationssicherheitsprodukte sowie Handelsangelegenheiten im Zusammenhang mit weißen Schlachtnebenerzeugnissen und Maisrückstandspulver hervorgehoben.
Die Beziehungen zwischen den USA und Vietnam – Blick in die Zukunft
In Anbetracht der jüngst erfolgten Aufwertung der Beziehungen zwischen Vietnam und den USA zu einer umfassenden strategischen Partnerschaft werden die Handelsbeziehungen zwischen den beiden Nationen die Öffnung eines rechtlichen Korridors erleben. Erstens werden weitere zusätzliche Dialogmechanismen – einschließlich solcher für den politischen Dialog zwecks weiterer Festigung der bilateralen Handelsbeziehungen, ermöglicht durch den vietnamesisch-US-amerikanischen Handels- und Investitionsrat (Vietnam-US Trade and Investment Council – „TIFA”) – eingerichtet. Zweitens streben beide Länder eine – auf Energiewende, Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung ausgerichtete – Politik im Geiste einer Entwicklungszusammenarbeit an. Dieser Ansatz erfordert einen behutsamen Transfer moderner Technologien unter genauer Einhaltung der Transparenzvorschriften auf Grundlage des BTA. Im Energiesektor sollen die USA Vietnam bei der Durchführung einer erfolgreichen Energiewende unterstützen. Dabei geht es in erster Linie um – u.a. politisch-strategische – Beratung, die Vietnam bei der Entwicklung geeigneter Strategien für die zukünftige Entwicklung erneuerbarer und sauberer Energien voranbringen soll. Im Fadenkreuz der Initiative stehen darüber hinaus die Unterstützung und Zusammenarbeit mit vietnamesischen Unternehmen. Im Hinblick auf den Handel beabsichtigen beide Staaten, gemäß Artikel 4 des BTA verstärkt Handelsförderungsinitiativen sowie Ausstellungen zu organisieren und Verbindungen zwischen den jeweils zuständigen Institutionen herzustellen. Auch diese konzentrierten Bemühungen haben die Erleichterung des Zugangs vietnamesischer Unternehmen zum US-Markt zum Ziel.
Fazit
Insgesamt hat die Entwicklung der Beziehungen zwischen Vietnam und den USA zu einer Ausweitung und Vertiefung der Umsetzung des BTA geführt, die verschiedene neue Aspekte wie Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung, die Einhaltung von Standards für eine “grüne Produktion”, die Schaffung “sauberer und nachhaltiger” Lieferketten und die Stärkung von Handelsförderungsmaßnahmen umfasst. Unter den Bereichen, die in der Gemeinsamen Erklärung hervorgehoben werden, nimmt der Handels- und Investitionssektor zweifellos eine besondere Stellung ein.
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Bei Fragen können Sie gerne Dr. Oliver Massmann unter [email protected] kontaktieren. Dr. Oliver Massmann ist geschäftsführender Direktor von Duane Morris Vietnam LLC.