Vietnam verzeichnete in den letzten Jahren mit durchschnittlich über 6 % jährlich eine der weltweit höchsten Wirtschaftswachstumsraten. Dieses Wachstum hat das Land von einem der ärmsten Länder der Welt zu einem Land mit mittlerem Einkommen gemacht. Vietnam hat die wichtige Rolle erneuerbarer Energien (einschließlich Solarenergie) für Energiesicherheit, nachhaltige Entwicklung und stabiles Wachstum schon lange erkannt.
Der überarbeitete Energieentwicklungsplan für 2011–2020 mit einer Vision bis 2030 (PDP VII), der 2016 verabschiedet wurde, zeugt von einer wachsenden Wertschätzung der Rolle alternativer Energiequellen. Ziel ist ein Anteil von 7 % erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2020 und von über 10 % bis 2030. Der PDP VII prognostiziert den Strombedarf mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 10 % zwischen 2011 und 2030. Der Bedarf wird von 86 TWh im Jahr 2010 auf 265–278 TWh im Jahr 2020 und 572–632 TWh im Jahr 2030 steigen. Die geschätzte installierte Kapazität beträgt 60 GW im Jahr 2020 und 129,5 GW im Jahr 2030.
Vietnam verfügt über ein breites Spektrum an Primärenergiequellen wie Erdöl, Kohle, Erdgas und Wasserkraft für die wirtschaftliche Entwicklung. Vietnams Wirtschaft ist jedoch mit erheblichen Risiken konfrontiert, da sie auf fossilen Brennstoffen basiert. So blockierten beispielsweise im April 2015 Tausende Einwohner über 30 Stunden lang eine Nationalstraße, um gegen die Umweltverschmutzung durch das Kohlekraftwerk Vinh Tan 2 zu protestieren. Es scheint, dass das Wasserkraftpotenzial für Wasserkraftwerke bald vollständig ausgeschöpft sein wird. Dies sind nur zwei Beispiele für Vorfälle, die die nationale Stromversorgungssicherheit Vietnams erheblich beeinträchtigen könnten. Vietnam muss daher seine Abhängigkeit von weniger umweltfreundlichen fossilen Brennstoffen reduzieren und erneuerbare Energien rasch fördern.
Seit Anfang 2017 hat die Regierung nach der Einführung neuer Einspeisetarife für netzgekoppelte Solarprojekte und anderen Reformmaßnahmen zur Anziehung ausländischer und lokaler Investitionen in diese grüne Branche einen starken Anstieg der von ihr genehmigten Solar- und Windkraftprojekte verzeichnet. Im Folgenden stellen wir Ihnen einige Entwicklungen vor:
- Solarstromprojekte – Erstaunliche Entwicklung!
Vietnams potenzielle Solarstromkapazität wird mit der von Spanien oder China vergleichbar eingeschätzt. Die Kapazität von Solarstromprojekten vor 2017 ist jedoch extrem gering (weniger als 10 MW). Bis Ende 2017 wurden jedoch Hunderte von Solarstromprojekten genehmigt. Das Ministerium für Industrie und Handel (MOIT) gab bekannt, dass die Gesamtkapazität aller genehmigten Solarstromprojekte, die vor dem 30. Juni 2019 in Betrieb gehen, über 3 GW beträgt.
Erstmals Einspeisevergütung für netzgekoppelte Solarstromprojekte
Mit der Entscheidung Nr. 11/2017/QD-TTg des Premierministers vom 11. April 2017 über den Mechanismus zur Förderung der Entwicklung von Solarstromprojekten in Vietnam („Entscheidung 11“) wurde erstmals eine Einspeisevergütung von 9,35 US-Cent pro Wattstunde für netzgekoppelte Solarstromprojekte festgelegt.
Die Vorlage für einen Solarstromabnahmevertrag („PPA“) wurde erstmals zusammen mit dem Rundschreiben 16/2017/TT-BCT des Ministeriums für Industrie und Handel eingeführt. Sie zeigt, dass die Regierung die Entwicklung von Solarstromprojekten in Vietnam voll unterstützt.
Direkt-PPA-Pilotprojekt für den privaten Sektor
In der Regel handelt es sich bei einem Solar-Direkt-PPA um eine Vereinbarung zwischen einem Solarstromerzeuger und einem Unternehmenskunden, bei der Solarstrom physisch geliefert und an den Unternehmenskunden für dessen Betrieb verkauft wird. Seit Anfang 2017 hat das MOIT die ERAV beauftragt, in Zusammenarbeit mit USAID und Beratern internationale Erfahrungen und praktikable Modelle für Solar-Direkt-PPAs in Vietnam zu recherchieren. Die ERAV erwartete, dass ihre Berater den Abschlussbericht zu Solar-Direkt-PPA-Modellen bis Juli 2018 erstellen könnten. Das MOIT plante, das Pilotprojekt bereits im ersten Quartal 2019 umzusetzen. Im Rahmen des Pilotprojekts könnten private Solarkraftwerke mit mindestens 300–500 MW im Rahmen des Direkt-PPA-Modells realisiert werden.
- Wind
Mit einer über 3.000 km langen Küste und zahlreichen Inseln verfügt Vietnam über ein erhebliches Windenergiepotenzial mit einer durchschnittlichen Windgeschwindigkeit von über 6 m/s und übertrifft damit das aller anderen südostasiatischen Länder. Aus technischer Sicht wird Vietnams Potenzial für den Ausbau der Windenergie auf 27 GW geschätzt.
Der vietnamesische Windmarkt steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Bisher sind nur fünf Windparks mit einer Gesamtkapazität von 197 MW in Betrieb, 38 MW mehr als 2016. Weitere 50 Projekte befinden sich in verschiedenen Entwicklungsphasen. Die vietnamesische Regierung hat sich für den Ausbau der Windenergie ein Ziel von 800 MW bis 2020, 2.000 MW bis 2025 und 6.000 MW bis 2030 gesetzt.
Die aktuelle Einspeisevergütung für Windenergie beträgt 1.614 Dong/kWh (ohne Mehrwertsteuer, entsprechend 7,8 US-Cent/kWh). Das Ministerium hat der Regierung vorgeschlagen, die Einspeisevergütung für Windkraftanlagen im Inland auf 8,77 US-Cent/kWh für Onshore-Projekte und auf 9,97 US-Cent/kWh für Nearshore-Windkraftprojekte zu erhöhen. Vietnam erwartet außerdem ausländische Investitionen in den Ausbau seiner schwachen Netzinfrastruktur, die Erstellung zuverlässiger Windgeschwindigkeitsstudien und die Errichtung von Windmesstürmen sowie die Verbesserung der Technologie und der Fachkräfte.
- Biomasse
Da die Landwirtschaft in Vietnam weit verbreitet ist, beträgt die Kapazität zur nachhaltigen Stromerzeugung aus Biomasse 150 Millionen Tonnen pro Jahr. Allein für die Stromerzeugung können 700–780 MW erreicht werden.
Ziel der Regierung ist es, die Biomasse-Stromerzeugung bis 2020 auf 500 MW (0,6 Prozent der Stromproduktion) und bis 2030 auf 2.000 MW (1,1 Prozent) zu steigern. Bisher verkauften sechs von 40 Zuckerfabriken mit einer installierten Gesamtleistung von 76,5 MW Strom an das nationale Netz. Der Markt bietet also noch viel Potenzial. Investoren sollten Standorte in der Nähe landwirtschaftlicher Gebiete nutzen und sich auf die Hochsaison (d. h. kurz nach der Ernte) konzentrieren, um die maximale Leistung zu erzielen.
Für netzgekoppelte Biomasse-Stromerzeugungsprojekte wird EVN die gesamte Biomasse-Energieproduktion der Anlage zum aktuellen Preis von 1.220 VND/kWh (ohne Mehrwertsteuer, ca. 5,8 US-Cent) abnehmen.
- Marktzugang in der WTO, im CPTPP und im EVFTA
Derzeit gibt es weder in den lokalen Gesetzen noch in den internationalen Verpflichtungen Vietnams Beschränkungen für ausländische Beteiligungen im Energiesektor. Ausländische Investoren können zwischen zulässigen Investitionsformen wählen: Unternehmen mit 100 % ausländischer Beteiligung, Joint Ventures oder öffentlich-private Partnerschaften in Form eines BOT-Vertrags. Vietnam liegt bei der Liberalisierung des Marktzugangs gleichauf mit Singapur.
Der kürzlich abgeschlossene Abschluss der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen (EVFTA) zwischen der EU und Vietnam und die Unterzeichnung des CPTPP öffnen den Markt weiter für ausländische Investoren. Investoren können nun ihre Technologie und ihr Know-how, insbesondere aus Ländern mit einem hohen Entwicklungsstand im Bereich der erneuerbaren Energien wie Deutschland, mit geringeren Marktzugangsbarrieren und mehr Sicherheit nach Vietnam bringen. Insbesondere das CPTPP und das EVFTA ermöglichen ausländischen Investoren, die vietnamesische Regierung nach den Regeln der Streitbeilegung durch Schiedsgerichte wegen ihrer Investitionsentscheidungen zu verklagen. Der endgültige Schiedsspruch ist bindend und vollstreckbar, ohne dass die lokalen Gerichte seine Gültigkeit in Frage stellen. Dies ist ein Vorteil für Investoren, da der Anteil an aufgehobenen ausländischen Schiedssprüchen in Vietnam aus verschiedenen Gründen nach wie vor relativ hoch ist.
Bei Fragen oder für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Dr. Oliver Massmann unter [email protected]. Dr. Oliver Massmann ist Geschäftsführer von Duane Morris Vietnam LLC.